Bildet Berlin! ist ein eingetragener Verein, dessen Mitglieder und Unterstützer:innen es leid sind, tatenlos zuzusehen wie sich die Qualität der schulischen Bildung in Berlin durch eine mangelhafte Ausstattung der Schulen verschlechtert. Gute Schulbildung ist der Schlüssel für Integration und Arbeit.
Von 2015 bis April 2021 waren wir vom zuständigen Finanzamt als ein gemeinnütziger Verein anerkannt. Mit einer Satzungsänderung hat der Verein im April 2021 die Eigenschaft einer politischen Partei übernommen, weshalb wir die Gemeinnützigkeit aufgeben mussten.
 

Diese Webseite dokumentiert die Tätigkeit von Bildet Berlin! in den Jahren 2012 bis 2020. Aktuelle Informationen finden Sie unter http://bildet-berlin.de .

 

Informationen zu Schulqualität, Lehrermangel und der Situation angestellter Lehrkräfte in Berlin

 

Über 10% Vertretungsbedarf sind selbst mit 100% Ausstattung plus 3% Vertretungslehrern nicht zu leisten!

An der Berliner Schule werden etwas mehr als 10% des Unterrichts nicht regulär erteilt. Laut Statistik der Bildungsverwaltung werden mehr als 8% der Unterrichts vertreten, die verbleibenden über 2% fallen aus (vgl. [1], S. 21). Als nicht in der Statistik berücksichtigt kann man Unterrichtsausfall in der Oberstufe betrachten, da hier in der Regel (Haus-)Aufgaben erteilt werden und der Unterricht damit als erteilt gilt, obwohl gar kein Unterricht stattgefunden hat (siehe dazu entsprechende Einträge in der Heißen Kiste). Unter dem Titel Schulen rechnen schön veröffentlichte Der Tagesspiegel am 02.06.2012 Recherchen, nach denen „Schulen und Verwaltung sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was 'nicht erteilter Unterricht' ist“.

Laut Bildungsverwaltung dürfe nur in der Oberstufe auf diese Weise vorgegangen werden, also das Stellen von (Haus-)Aufgaben als erteilter Unterricht angesehen werden - damit ist das Schönen der Statistik von oben abgesegnet. Weiterhin wird die Bildungsverwaltung zitiert: „Alle anderen Schüler seien zu beaufsichtigen. Andernfalls könne der Unterricht nicht als vertreten gelten“. Es besteht kein Zweifel daran, dass minderjährige schulpflichtige Schülerinnen und Schüler beaufsichtigt werden müssen. Dies jedoch bereits als Unterricht zu werten offenbart ein merkwürdiges Verständnis von dem, was Unterricht eigentlich ist!

Der eigentliche Bedarf an Vertretung ist also als deutlich höher als von der Bildungsverwaltung anzusehen. Selbst wenn man der Statistik für einen Moment Glauben schenken mag und man für einen Moment davon ausginge, dass sich 3% des Bedarfs mit geeigneten Vertretungslehrer/-innen im Rahmen der Personalkostenbudgetierung (PKB) abdecken ließen wird deutlich: 5% des Unterrichts werden von Berliner Lehrer/-innen zusätzlich zu ihrer ohnehin bereits hohen Arbeitsbelastung in Mehrarbeit geleistet. Die Ausstattung der Schulen mit 100% + 3% PKB-Mittel nimmt also wissentlich eine permanente durchschnittliche Mehrbelastung der regulären Lehrkräfte um 5% ihrer Arbeitszeit in Kauf. 

Dabei ist vielfach erkannt, dass eben die hohe Arbeitsbelatung zu berufsspezifischen Erkrankungen und damit zu dem hohen Vertretungsbedarf führt.Die reguläre Arbeitsbelastung der Lehrer/-innen wurde  in den vergangenen zwanzig Jahren massiv herhöht: Das Unterrichtsdeputat wurde um bis zu 6 Wochenstunden erhöht, Altersermäßigungen und Altersteilzeit abgeschafft, Klassen- und Kursfrequenzen erhöht, Ermäßigungs- und Förderstunden gestrichen [2]. Dazu kommen Belastungen durch zusätzlich eingeführte Prüfungen wie z. B. dem MSA und die sinnvollen, aber individuell zu betreuenden Präsentationsprüfungen in MSA und Abitur an den Gymnasien. Zahlreiche zentrale Vergleichsarbeiten wie VERA mit immensem Aufwand der statistischen Aufbereitung liefern Ergebnisse von zweifelhafter Aussagekraft und selten hilfreichen Rückmeldungen für den Unterricht vor Ort. Als völlig illusorisch erscheint in diesem Zusammenhang die Erwartung der Bildungsverwaltung Schulleiter/-innen und Lehrer/-innen sollen bei nicht ausreichend qualifizierten Vertretunglehrern hospitieren, sie anleiten und beraten und so das Qualitätsdefizit mal eben so ausgleichen - eine Aufgabe für die Lehrer/-innen mindestens 5 Jahre studiert und anschließend ein ein- bis zweijähriges arbeitsintensives Referendariat absolviert haben. Wie sich die Arbeit als nicht voll ausgebildeter Vertretungslehrer mit befristeten Arbeitsverträgen an der Berliner Schule anfühlt, wird unter anderem in dem Blog Staendige Vertretung anschaulich beschrieben. Spannender als jeder Krimi ...

Quellen:
[1] Senatsverwaltung für Bildung Jugend und Wissenschaft 2012: Anhang G1 der Broschüre Blickpunkt Schule, S. 21 
http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-bildung/bildungsstatistik/blickpunkt_schule_2011_12.pdf?start&ts=1329729903&file=blickpunkt_schule_2011_12.pdf
[2] Landesverband Berlin der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft 2012: Kürzungen/Veränderungen der letzten 11 Jahre in der allgemeinbildenden Schule http://www.gew-berlin.de/documents_public/Berliner_Schule_2001-2012.pdf

erstellt am 09.06.2012, letzte Aktualisierung am 10.06.2012
 
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