Fachleute warnen: Gestaltung des Quereinstiegs gefährdet die Schulqualität in Berlin - Petition gestartet Es ist allgemein bekannt, dass Berlin an einem zunehmenden Lehrermangel leidet. Doch anstatt die Rahmenbedingungen für Lehrkräfte zu verbessern setzt die Bildungsverwaltung zunehmend darauf, Personen als Lehrkraft zu gewinnen, die ursprünglich gar nicht Lehrkraft werden wollten: Quereinsteiger/innen. Generell ist nichts dagegen zu sagen, wenn sich Menschen beruflich umorientieren, verfügen diese doch aus ihrem vorherigen beruflichen Wirken über interessante Erfahrungen, mit denen sie das Schulleben bereichern können. Nur wird man nun einmal nicht über Nacht zum Lehrer - ein mindestens fünfjähriges Masterstudium mit mehreren Praktika an Schulen plus ein anschließendes 18-monatiges Referendariat werden allgemein als notwendig erachtet, um fachgerecht und eigenverantwortlich Unterricht erteilen zu können.
Nicht so in Berlin: Hier ist vorgesehen, dass Quereinsteiger/innen vom ersten Tag ihres berufsbegleitenden Referendariats 19 bzw. 21 Stunden eigenverantwortlichen Unterricht erteilen und somit Schüler/innen erziehen und bewerten. Zum Vergleich: Reguläre Referendare unterrichten ca. 8 Stunden und nutzen den Rest ihrer Arbeitszeit für ihre Ausbildung in drei Seminaren und die intensive Vorbereitung und Reflexion ihrer ersten Unterrichtsstunden, um aus Erfahrungen für die Zukunft zu lernen. Auch die Quereinsteiger/innen müssen an den Seminarveranstaltungen teilnehmen - nur bei 19 bzw. 21 Stunden zu erteilendem Unterricht wird die für diesen Beruf so wichtige eigene Professionalisierung durch intensive Reflexion individueller Erfahrungen geradewegs zur Nebensache!
Nachdem Berlin im Februar 2014 in fast sämtlichen Fächern den
Quereinstieg ermöglicht hat folgte bald die nächste Absenkung der
Anforderungen: Ein zweites Unterrichtsfach wird bereits im Umfang von 20
Semesterwochenstunden anerkannt (Lehramtsstudenten haben hier im Umfang
von mindestens 60 Semesterwochenstunden zu studieren). Es ist eine
Illusion, nach einem Fachstudium im Umfang von 20 Semesterwochenstunden
Unterrich an Oberschulen in allen in den Rahmenlehrplänen geforderten
Inhaltsbereichen fachlich fundiert Unterrichten zu können! Doch es wird
noch schlimmer: selbst wer nicht einmal über die 20
Semesterwochenstunden Studienerfahrung in einem zweiten Fach verfügt ist
herzlich eingeladen, in Berlin dieses Fach als „Lehrkraft“ zu
unterrichten: Nach aktuellen Überlegungen sollen diese Kandidaten neben
ihren 19 bzw. 21 Stunden „Unterricht“ zunächst 18 Monate lang ihr
zweites Fach studieren bevor sie am berufsbegleitenden Referendariat
teilnehmen.
Bildet Berlin! kritisiert bereits seit längerem den
Missbrauch des Quereinstiegs zur verzweifelten Abdeckung von Unterricht
und fordert stattdessen konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen für
Lehrkräfte in Berlin zu schaffen. Dies wird auch in Punkt 2 unseres jüngst auf dem Potsdamer Platz vorgestellten Qualitätspakets
deutlich: „Qualitätssicherung des Quereinstiegs - Wir plädieren dafür,
dass Quereinsteiger/innen ein vierwöchiges Probepraktikum und einen
drei-monatigen Vorbereitungslehrgang zum Erwerb didaktischer,
methodischer, kommunikativer und sozialer Kompetenzen absolvieren, damit
sie den komplexen Anforderungen des Lehrerberufs gerecht werden. Die
notwendigen Qualifizierungskapazitäten und -strukturen sind umgehend zu
schaffen. Darüber hinaus muss die Unterrichtsverpflichtung für
Quereinsteiger/innen im berufsbegleitenden Referendariat von bisher
verpflichtenden 19 Stunden auf 12 Stunden reduziert werden.“
Mit
dieser Kritik steht Bildet Berlin! nicht allein! Mehrere Fachverbände
und Didaktiker kritisierten zuletzt öffentlich die wiederholte Absenkung
der Anforderungen an die Qualität der Lehrer/innenbildung. Sie schätzen
die aktuellen Pläne der Senatsbildungsverwaltung als verantwortungslos
ein:
Bildet
Berlin! fordert, den Lehrer/innenberuf in Berlin für ausgebildete
Lehrkräfte tatsächlich attraktiv zu gestalten anstatt wie im Juni 2013
eine Arbeitszeiterhöhung als Attraktivitätssteigerung verkaufen zu
wollen. Konstruktive Vorschläge dazu finden sich in unserem Qualitätspaket. Durch die wiederholte Absenkung der Anforderungen an die Qualität der Lehrer/innenbildung gegen den Rat sämtlicher an der Lehrer/innenbildung beteiligten Fachleute sehen wir die Qualität schulischer Bildung in Berlin akut gefährdet.
Wenn auf Quereinsteiger/innen zurückgegriffen werden muss, so müssen
diese entsprechend pädagogisch (und ggf. auch fachlich in einem zweiten
Fach) nachqualifiziert werden bevor sie Unterricht erteilen.
Inzwischen
wurde eine Petition an Herrn Wowereit gestartet, mit der Forderung
„Keine Bildungsexperimente mit SchülerInnen! Keine Zulassung von
QuereinsteigerInnen als Lehrkräfte ohne Verbesserung der
Rahmenbedingungen für ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer.“:
→ Die Petition Keine Bildungsexperimente mit SchülerInnen! auf Change.org unterschreiben | erstellt am 30.04.2014, letzte Aktualisierung am 04.12.2014 |
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