Zurück zur inhaltlichen Auseinandersetzung! Die Lohndiskriminierung zwischen Mann und Frau soll ein Ende haben. Union und SPD haben sich am vergangenen Wochenende bei ihren Koalitionsverhandlungen u.a. auf eine gesetzliche Verpflichtung zur Lohntransparenz und den gemeinsamen Abbau der jeweiligen Lohnunterschiede durch die Tarifpartner geeinigt.
Diese Einigung auf Bundesebene sollte im Sinne des Gleichheit-Prinzips längst eine Selbstverständlichkeit sein. In Berlin wird dieser Grundsatz jedoch ignoriert. Hier regieren Union und SPD seit 2011 in einer Großen Koalition und missachten als Arbeitgeber eine tarifrechtlich geregelte Bezahlung der angestellten Lehrer. In den Berliner Lehrerzimmer herrscht eine Zwei-Klassen-Entlohnung. Und der rot-schwarze Senat hält sich nicht für zuständig.
Warum löst diese Ungerechtigkeit inzwischen so viel Unmut – nicht nur bei angestellten Lehrkräften – aus? Eine Erklärung liegt in der unsachlich und polemisch geführten Debatte, die teilweise in eine einseitige mediale Berichterstattung mündet. Denn die Öffentlichkeit wird von Berlins Finanzsenator Ulrich Nussbaum (parteilos, für die SPD!) in einer bewusst geführten Kampagne mit einseitig dargestellten Sachverhalten informiert. Und die Landeselternvertreterin sieht in dem Arbeitskampf der Gewerkschaften eine „Instrumentalisierung“ und spricht von „Geiselhaft der Schüler“.
Es verwundert sehr, wie leichtfertig in diesem Fall mit der Verfassung umgesprungen wird. Darin ist das Prinzip der „Tarifautonomie“ verankert. Was scheinbar für die Schule nicht gelten soll. Oder nicht gelten darf? Aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) folgt das Recht der Gewerkschaften, für ihre Mitglieder in Tarifverträgen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen unabhängig von staatlichen Eingriffen verbindlich auszuhandeln. Da die Tarifautonomie auch das Recht zu Arbeitskämpfen einschließt, werden sich angestellte Lehrkräfte stets auf den Konsens im Grundgesetz berufen können. Es ist sehr bedenklich, wenn eine Gewerkschaft, die allgemein anerkannte und historisch erkämpfte Rechte der angestellten Arbeitnehmer öffentlich vertritt und fordert, von allen Seiten aufs Schärfste kritisiert wird. Arbeitskämpfe sind als Teil der Grundrechte zulässig! Das besagt neben dem Grundgesetz auch die „Europäische Sozialcharta“, die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ und die „Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte“.
Darüber hinaus wird die für Lehrerinnen und Lehrer zuständige Senatorin nicht müde das Bruttogehalt ihrer Beschäftigten zur Initiierung einer Neiddebatte heranzuziehen. Nicht erwähnt wird, dass dieses durchaus ansehnliche Einstiegsgehalt zugleich auch das Endgehalt darstellt - und über Zulagen ermöglicht wird, die reine Absichtserklärungen des Senats sind. Dieses hohe Einstiegsgehalt für die angestellten Lehrkräfte kann jedoch nicht die Begründung dafür sein, dass angestellte Lehrkräfte tarifrechtlich im rechtsfreien Raum unterrichten. Die soeben ausgehandelte Vereinbarung zwischen Union und SPD im Bund muss auch für die Berliner Lehrerzimmer gelten!
Hinzu kommt das zweifelhafte „Maßnahmenpaket zur Attraktivitätssteigerung“, das die Beschäftigten als Beleidigung empfinden. Die ungerechte Entlohnung und die mangelnde Wertschätzung treiben die Angestellten – mit viel Zuspruch der Beamten – auf die Straße! Der Vorwurf der „Geldgier“ ist eine oberflächlich verkürzte Darstellung, bei der alle sachlichen und verfassungsrechtlich gesicherten Aspekte außer Acht gelassen werden.
Und die Ambivalenz dieser mittlerweile peinlich geführten Debatte wird den Protest weiter nähren. Die initiierte Neiddebatte, die Polemik der Landeselternvertretung und die öffentliche Darstellung der „maßlosen Lehrer“ verdecken den Kampf um verfassungsrechtliche Grundprinzipien. Demokratische Partizipation ist offenbar unerwünscht. Lehreinnen und Lehrer gehören ins Klassenzimmer und nicht auf die Straße! Dem Berliner Schulgesetz entsprechend soll Schule „alle wertvollen Anlagen der Schülerinnen und Schüler zur vollen Entfaltung zu bringen und ihnen ein Höchstmaß an Urteilskraft, gründliches Wissen und Können zu vermitteln.“ Die angestellten Pädagogen praktizieren „nur“, was sie theoretisch vermitteln sollen: aktive Teilhabe an einer lebendigen Demokratie.
Es bleibt das Arbeitnehmerrecht der angestellten Lehrkräfte, für eine tarifvertraglich gesicherte und gerechte Bezahlung zu kämpfen. Das gilt für den kommenden Winter und auch für den kommenden Sommer! Vielmehr aber sollte es gemeinsamer politischer Wille sein, einerseits die grundlegenden Arbeitnehmerrechte zu wahren und andererseits auch die Qualität schulischer Bildung in Berlin zu garantieren. Da der Angestellten-Status von Lehrkräften politisch gewollt ist, wird das eine nicht ohne das andere zu haben sein. Eine erfolgreiche Bildung wird zukünftig in Berlin nur zusammen mit den angestellten Lehrkräften gelingen!
Zum Herunterladen: http://bildet-berlin.de/docs/Bildet-Berlin_Stellungnahme12.11.13.pdf | erstellt am 12.11.2013, letzte Aktualisierung am 12.11.2013 |
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